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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 14.12.2023:

Empfehlungen für die Lehrkräftebildung

Die SWK legt neues Gutachten zur Lehrkräftegewinnung und -bildung vor
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Bildrechte: SWK

In dem am 8. Dezember 2023 veröffentlichten Gutachten „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ empfiehlt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) Maßnahmen für ein wissenschaftsbasiertes und strukturiertes Qualifikationssystem für Lehrkräfte in Studium, Vorbereitungsdienst und während des Berufs. Für den zweiten Weg ins Lehramt hat die SWK Modelle für einen Master mit anschließendem Vorbereitungsdienst entwickelt.


Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) hat am 8. Dezember 2023 ein Gutachten herausgegeben, das Empfehlungen dazu abgibt, wie die Versorgung des Schulsystems mit gut qualifizierten Lehrkräften gewährleistet werden kann. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission ist ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz, der 16 Bildungsforscher*innen aus unterschiedlichen Disziplinen angehören. Sie berät die Länder zu bildungspolitischen Fragen, identifiziert Herausforderungen und unterbreitet Lösungsvorschläge. Seit Juni 2021 hat sie bereits acht Gutachten, Stellungnahmen und Impulspapiere veröffentlicht. Erst im Januar 2023 erschien die Stellungnahme „Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel“ mit sechs kurzfristigen Maßnahmen, darunter die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, Einschränkungen bei Teilzeitmöglichkeiten und höhere Klassenfrequenzen, die zum Teil kritisch aufgefasst wurden.

Wissen und Fähigkeiten schrittweise aufbauen

Das aktuelle Gutachten „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ enthält elf Empfehlungen für eine längerfristige Lehrkräftegewinnung und eine Reform der Lehrkräftebildung. Der momentane Standard für die Lehrerbildung ist der SWK nicht konkret genug, sie empfiehlt deshalb eine „wissenschaftsbasierte Lehrkräftebildung in Studium und Vorbereitungsdienst, in der Wissen und Fähigkeiten schrittweise aufgebaut werden.“ Dafür sei die Entwicklung eines phasenübergreifenden Curriculums nötig, das fachwissenschaftliche, fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Inhalte des Studiums und des Vorbereitungsdienstes miteinander in Zusammenhang stellt. Auch Querschnittsthemen wie der Umgang mit Heterogenität, Inklusion oder Digitalisierung sollten integriert werden und Lehrveranstaltungen im Studium einen stärkeren Praxisbezug aufweisen. „Aus internationalen Studien wissen wir, dass die Kompetenzen der Lehrkräfte entscheidend sind für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Deshalb dürfen die Anforderungen an den Beruf nicht abgesenkt werden. Lehrkräfte brauchen unterrichtsbezogenes Wissen im Fach und Wissen über Lern- und Entwicklungsprozesse von Kindern und Jugendlichen. Eine universitäre Lehrkräftebildung muss dieses Wissen vermitteln und darauf aufbauend Praxiserfahrungen schrittweise ermöglichen. Eine kompetente Begleitung der Praxiserfahrungen ist für den Erwerb von wirksamen Unterrichtskompetenzen entscheidend. Dafür ist bereits in der ersten Phase eine enge Zusammenarbeit mit den Studienseminaren erforderlich“, erläutert Prof. Dr. Felicitas Thiel, Co-Vorsitzende der SWK und Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität Berlin.

Ausbildungsbedingungen und Vorbereitungsdienst
Kritisch Stellung bezieht sie auch zu den Ausbildungsbedingungen. Trotz Lehrkräftemangels sei der Stellenwert der Lehrkräftebildung an zu vielen Universitäten viel zu gering. Eine systematische Qualitätssicherung der Lehrkräftebildung an den Universitäten, angefangen von der sichtbaren Verankerung in der Hochschulleitung über Forschungsanreize bis hin zur Verbesserung der Studierbarkeit, sei deshalb unvermeidbar.

Für den herausfordernden Vorbereitungsdienst empfiehlt die SWK eine begrenzte Unterrichtsverpflichtung von ca. sechs Wochenstunden, für die Berufseingangsphase (sechs Monate) eine Unterrichtsreduktion um sechs bis acht Stunden. Die Länge des Vorbereitungsdienstes sollte auf zwölf Monate reduziert werden können, wenn Studium und Vorbereitungsdienst strukturell und inhaltlich miteinander verknüpft und die Studienseminare in die Begleitung der universitären Praxisphasen einbezogen würden. Da immer mehr Lehramtsstudierende auch schon neben dem Studium als Vertretungslehrkräfte arbeiten, können sich dadurch Studienzeiten verlängern. Die SWK empfiehlt hier die qualifizierte Begleitung der Vertretungslehrkräfte unter Beteiligung der Universitäten, so dass ihr Unterricht auf Praxisphasen des Studiums angerechnet werden könnte.

Ein-Fach-Masterstudiengänge für Quereinsteiger
Vorschläge unterbreitet die SWK auch für die von den Ländern schon vor Jahren wegen akuten Lehrermangels eingerichteten zum Teil sehr unterschiedlichen Quer- und Seiteneinstiegsmodelle, die die Standards der Lehrerbildung nicht immer einhalten. Diese müssten ihrer Ansicht nach in ein klar strukturiertes Zugangs- und Qualifikationssystem überführt werden, das Ziele und Standards eindeutig definiert und alle drei Phasen der Ausbildung systematisch verbindet. Die SWK empfiehlt für Fachstudierende und Berufswechsler*innen spezielle Ein-Fach-Masterstudiengänge mit anschließendem Vorbereitungsdienst einzurichten, die einen zweiten, wissenschaftlich fundierten Weg in den Lehrberuf eröffnen. „Der Lehrkräftebedarf unterliegt starken Schwankungen. Während jüngst so viele Schülerinnen und Schüler wie nie eingeschult wurden, sind die Geburtenzahlen seit 2022 rückläufig, gleichzeitig sind migrations- und fluchtbedingt steigende Zahlen nur bedingt vorhersehbar. Ein klar strukturierter zweiter Weg ermöglicht es, flexibel auf den Lehrkräftebedarf zu reagieren und gleichzeitig die wissenschaftliche Qualifizierung der Lehrkräfte sicherzustellen. Zudem müssten keine neuen Strukturen aufgebaut werden und der zweite Weg ins Lehramt wäre mit finanziell geringem Aufwand umsetzbar“, erklärt Prof. Dr. Olaf Köller, Co-Vorsitzender der SWK und geschäftsführender Direktor des IPN - Leibniz-Institut für die Didaktik der Naturwissenschaften und Mathematik.

Fortbildungsverpflichtung von 30 Stunden pro Jahr
Negativ findet die SWK auch, dass Fortbildungsbedarf und -angebot in den meisten Ländern nicht systematisch erhoben werden. Auch werden Fortbildner*innen nur in wenigen Ländern zusätzlich qualifiziert. Die SWK fordert eine datenbasierte und bedarfsorientierte Angebotsplanung und Qualitätssicherung und empfiehlt eine Fortbildungsverpflichtung von 30 Stunden pro Jahr für alle Lehrkräfte, damit sichergestellt wird, dass sie sich regelmäßig mit neuen Inhalten und Anforderungen auseinandersetzen. Auch die Einführung von Bachelor-Studiengängen als Weiterbildungsangebot für Assistenzlehrkräfte hält die Kommission für sinnvoll.

Werbekampagne und Überprüfen der Zulassungsbeschränkungen
Weitere Empfehlungen sind u.a., Daten systematisch vergleichbar zu erheben und Datenlücken in den Ländern zu schließen, die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen zu prüfen, die Möglichkeiten für ein Studium in Teilzeit auszubauen und neue Studienplätze in Mangelfächern zu schaffen. Aus Sicht der SWK würde der Beruf der Lehrkraft auch durch mehr Entwicklungsmöglichkeiten attraktiver. Sie rät dazu, wissenschaftliche Weiterbildungen zur Qualifizierung für Leitungs- und Koordinationsfunktionen zu entwickeln. Außerdem schlägt sie vor, eine bundesweite Werbekampagne für den Lehrerberuf zu starten, um mehr Menschen für ein Lehramtsstudium zu begeistern, die nicht direkt zur Zielgruppe des Lehramtsstudiums gehören, wie beispielsweise Bildungsaufsteiger*innen, Lehrkräfte mit internationalen Berufsqualifikationen und Fachstudierende.

Positive Reaktionen von GEW und Philologenverband
Die Gewerkschaft Erziehung und Weiterbildung (GEW) sowie der Deutsche Philologenverband (DPhV) begrüßen das Gutachten der SWK. Während sie die Vorschläge der SWK für kurzfristige Maßnahmen vom Januar 2023 noch kritisierten, fordert die GEW jetzt Bund und Länder auf, die Weichen für Reformen zu stellen. „Unsere Schulen sind mit einem massiven Fachkräftemangel konfrontiert, der die Unterrichtsversorgung gefährdet und die Lehrkräfte zusätzlich belastet. Dazu tragen nicht nur die bereits starke Belastung und miserablen Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer bei, sondern auch die Defizite in der Lehrkräftebildung. Das SWK-Gutachten ist ein Weckruf für Bund und Länder“, formuliert es GEW-Hochschulexperte und Vizevorsitzender Andreas Keller. Auch der Deutsche Philologenverband (DPhV) reagiert insgesamt positiv auf die Empfehlungen, insbesondere weil die SWK ein „duales Lehramtsstudium erfreulicherweise abgelehnt habe“. Er hadert nur etwas mit der Verkürzung auf ein 12-monatiges Referendariat. DPhV-Vorsitzende Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing stellt nach der Veröffentlichung klar: „Es gibt einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen der ersten Ad-hoc-Stellungnahme der SWK zu Beginn dieses Jahres zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels und nun den profunden Empfehlungen im heute vorgestellten Gutachten der SWK. Damals dominierten unter Zeitdruck entstandene, eher politisch kurzfristig angeregte Zusammenstellungen. Dazu gehörte der Vorschlag für eine generelle Aufstockung des Stundendeputats von Teilzeitlehrkräften, dessen Grundlage u.a. auch eine fehlerhafte Addition von Referendaren in die Gruppe der Teilzeitlehrkräfte war und den wir als Zumutung kritisierten. Jetzt nehmen wir reflektierte, wissenschaftlich solide Empfehlungen der SWK als Schritte in die richtige Richtung für eine verbesserte Personalplanung sowie ein umfassendes und strukturiertes Konzept für die Lehrkräftebildung und für die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte wahr! Wir hoffen, dass die Kultusminister und -ministerinnen diese Chance ergreifen und sich neu ihrer Verantwortung stellen, um sich über den bisherigen bunten Flickenteppich hinaus gemeinsam an den wissenschaftsbasierten Empfehlungen für eine bessere, an gemeinsamen Leitlinien orientierte Lehrkräftebildung zu orientieren!“

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 14.12.2023
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