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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 22.12.2022:

„Unsere Theaterstücke berühren, bewegen und stoßen Erkenntnisprozesse an.“

Das Forumtheater inszene bezieht das Publikum mit ein
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Bildrechte: Forumtheater inszene

Das Forumtheater inszene zeigt brisante Themen auf der Bühne, sensibilisiert für soziale Konflikte und macht unterschiedliche Standpunkte gegenseitig nachvollziehbar. Das Publikum wird aufgefordert, nach Lösungen zu suchen, die die Schauspieler*innen dann umsetzen. Im Repertoire des Forumtheater inszene sind Stücke für Erwachsene, Kinder und Jugendliche, die an Schulen, sozialen Einrichtungen, Betrieben, Wohlfahrtsverbänden oder Non-Profit-Organisationen dargestellt werden.


Ibo und seine Mutter streiten. Die Mutter ist sauer, weil Ibo nichts tut. Er sitzt nur zu Hause herum und vertrödelt die Zeit, anstatt sich einen Ausbildungsplatz oder Arbeit zu suchen. Aber auch Ibo ist frustriert: Er weiß nicht, wie er seine Zukunft gestalten soll, nichts klappt. Er ist wütend auf den Rest der Welt.
Schauspieler*innen des Forumtheater inszene führen das Stück „Selbstbewusst auf dem Weg zum Ausbildungsplatz“ (SWAP) in einem Berufskolleg in Köln auf. Viele der Schüler*innen, die das Stück sehen, können sich sofort mit Ibo identifizieren. Viele kennen das Gefühl, nicht weiterzukommen, anderen die Schuld dafür zu geben. „Deshalb verbünden sie sich mit ihm“, weiß Friderike Wilckens-von Hein. Sie motiviert die Schüler*innen in Ibos Leben einzugreifen, auf die Bühne zu kommen und Ibo Tipps zu geben, wie er die Situation meistern kann. Die Jugendlichen werden dadurch dazu angeregt, die Situation zu hinterfragen und lernen nicht nur Ibo, sondern auch sich selbst zum Erfolg zu führen.

Das Forumtheater inszene
Das Forumtheater inszene e.V. führt interaktive Theaterstücke zu gesellschaftlich relevanten Themen in konfliktreichen und belasteten Situationen auf. Unter der Leitung von Friderike Wilckens-von Hein sensibilisiert es die Teilnehmenden für soziale Konflikte und macht gegensätzliche Standpunkte nachvollziehbar. Wie das Stück weitergeht, entscheidet das Publikum selbst. Die Zuschauer*innen werden zu Mitgestalter*innen. Sie werden von einer Moderatorin aufgefordert, sich dem dargestellten Problem zu stellen, sich eine Meinung zu bilden, sie zu äußern und Lösungswege auszuprobieren. „Wir gehen dahin, wo es weh tut und lösen einen lebendigen Dialog aus, getragen von menschlicher Wärme, Humor und Ehrlichkeit“, so das Team. Es nutzt das Theater als kraftvolles Medium, um gesellschaftliche Fragen aufzuwerfen und Impulse für Veränderungen zu geben.

Die Methode „Forumtheater“
Das Forumtheater ist eine emanzipatorische Theaterform, die von dem brasilianischen Theaterpädagogen Augusto Boal in den 1970er Jahren entwickelt wurde. Sie wird weltweit als effektive Methode in den Bereichen Kommunikation und Sozialkompetenz, Bewusstseinsbildung und Friedensförderung eingesetzt. In verschiedenen Szenen wird eine Situation dargestellt, in der ein Konflikt aufkeimt und mit dem Scheitern einer Person endet. Das Publikum wird aufgefordert, Lösungs- und Handlungsvorschläge für den dargestellten Konflikt zu nennen, die dann von den Schauspieler*innen auf der Bühne dargestellt werden. So werden die Zuschauenden herausgefordert, sich einem Konflikt zu stellen, nicht aufzugeben, sondern nach immer neuen Handlungsalternativen zu suchen. Es entstehen neue Sichtweisen und das Publikum erfährt ihre möglichen Wirkungen. Am Ende haben die Zuschauer*innen ein ganzes Spektrum an Handlungsmöglichkeiten gesehen und ausprobiert.

Den Stillen eine Stimme geben
Die Schauspieler*innen, Regisseur*innen und Theaterpädagog*innen des in Ruppichteroth (NRW) angesiedelten Theaters Forumtheater inszene bringen seit über fünfzehn Jahren komplizierte Alltagssituationen auf die Bühne und können mittlerweile ein großes Repertoire an Inszenierungen und Projekten aufweisen. Die Initiatorin und Geschäftsführerin Friderike Wilckens-von Hein nutzt die transformierenden Kräfte des Theaters, um Menschen in herausfordernden Situationen eine Stimme zu geben und Veränderungen anzustoßen. „Unsere Theaterstücke berühren, bewegen und stoßen Erkenntnisprozesse an. Wir erschaffen Räume, in denen sich jede*r mit seinem Anliegen zeigen kann.“

Ein vielfältiges Angebot

Die Angebote des Forumtheater inszene erstrecken sich über Theaterstücke, Workshops und Projekte zu brisanten Themen für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Diese können von Schulen, sozialen Einrichtungen, Betrieben, Wohlfahrtsverbänden oder Non-Profit-Organisationen gebucht werden, um dortige Konflikte zu thematisieren, aufzubrechen und eine Bewusstseinsveränderung aller Beteiligten zu erreichen.
Für Erwachsene gibt es unter anderem Stücke zum Thema Demenz, Älter werden, Frauen, häusliche Gewalt, Leistungsdruck oder zum Umgang mit Rechtsextremismus in sozialen Einrichtungen. Mit dem Stück „…und kein Dank!“ zum Beispiel eröffnet das Forumtheater inszene Angehörigen von dementen Menschen die Suche nach Möglichkeiten und Lösungen, die in diesen überfordernden Situationen helfen, was demente Menschen und Angehörigen brauchen und wo es Hilfe gibt. In beeindruckenden Szenen zwischen einem Vater und seiner Tochter zeigt das Ensemble des Forumtheater inszene die Entwicklung einer Demenz auf. Dann ist das Publikum gefragt und darf mithelfen: Wie kann die Tochter auf die täglichen Herausforderungen reagieren, trotz enormer Belastungen die Würde des Vaters erhalten und selbst gelassen und gesund bleiben?

Für Jugendliche stehen Stücke zu den Themen Geschlechter-Identität und Gender, Cybergrooming, Cybermobbing und Hatespeech, Loverboys, Ausgrenzung, Liebe und Partnerschaft oder Rassismus im Programm. Auch für Kinder im Grundschulalter werden in Theaterstücken Freundschaft und Ausgrenzung thematisiert. Auf Anfrage entwickelt das Forumtheater inszene auch individuelle Stücke zu gewünschten Themen.
Darüber hinaus bietet das Theater inszene Weiterbildungen zum Thema Mobbing und Rassismus für Pädagog*innen und Sozialarbeiter*innen in der Schule und offenen Jugendarbeit und Seminare für Pflegekräfte an. Letztere zum Beispiel sensibilisieren für die im Pflegealltag entstehenden Herausforderungen, die oft zu Überforderung und Missverständnissen führen können. In der Weiterbildung werden soziale Fähigkeiten und Kommunikationskompetenz verbessert, um mit den unterschiedlichsten Anforderungen und Zielgruppen souverän umzugehen.

SWAP
Seit 2010 ist das Forumtheater inszene auch in der Berufsbildung aktiv und führt Kooperationen mit Ausbildungsbetrieben, Schulen und in der Weiterbildung durch. Das bereits mehrfach ausgezeichnete Projekt „Selbstbewusst auf dem Weg zum Ausbildungsplatz“ (SWAP) bietet an Berufskollegs und weiterführenden Schulen neben dem Theaterstück Workshops und Projekte zur Begleitung von Jugendlichen mit Zuwanderungserfahrungen auf dem Weg zum Ausbildungsplatz an. Damit bildet es eine Brücke zwischen Unternehmen und motivierten Auszubildenden. In diesem Projekt lernen junge Erwachsene integrative Kompetenzen wie soziale und kommunikative Fähigkeiten auszubauen, um auch in schwierigen Situationen im Ausbildungsverhältnis oder am Arbeitsplatz bestehen zu können. Es setzt dabei auf eine kontinuierliche Begleitung der Jugendlichen und auf die enge Kooperation mit Lehrkräften und Sozialpädagog*innen in den Ausbildungseinrichtungen. SWAP wird mittlerweile von immer mehr Einrichtungen aufgegriffen. Die stellvertretende Schulleiterin des Berufskollegs Ulrepforte in Köln, Anne Mehler, ist sicher: „Die Zusammenarbeit mit dem Forumtheater inszene bereichert unser Berufskolleg mit einer zukunftsweisenden Methode.“

In kurzen Szenen skizzieren die Schauspieler*innen schwierige Situationen auf dem Weg zum Praktikum oder Ausbildungsplatz: Wie gehe ich mit wiederholten Absagen um? Wie verhält man sich in einem Vorstellungsgespräch? Auch typische Konfliktsituationen während des Praktikums, die oft mit Sprachschwierigkeiten einhergehen, werden gezeigt. Die Schauspieler*innen spiegeln das Verhalten und das Empfinden der zuschauenden Schüler*innen wider. Dann müssen die Jugendlichen Lösungen für diese schwierigen Situationen anbieten. Gestützt durch eine einfühlsame Moderation zeigen sie auf der Bühne, was sie tun würden. Es entsteht ein Experimentier-Raum, in dem typische Alltagssituationen geübt werden.
In Kleingruppen erarbeiten die Teilnehmenden anschließend die Themen „vor dem Bewerbungsgespräch“ und „vor dem Praktikumsbeginn“. Sie erörtern, was persönliche Barrieren sein können, wie die Kontaktaufnahme funktioniert oder wie man sich bei Erkrankung verhält. Zum Abschluss erhalten alle noch ein individuelles Coaching.

Weiterbildung für Ausbildende
Damit aber auch die Ausbildungsleiter*innen mehr Verständnis für die Auszubildenden entwickeln, hat das Forumtheater inszene für Führungskräfte, Teamleiter*innen und Ausbildungsleiter*innen eine spezielle Weiterbildung entwickelt, die auf die besonderen Anforderungen im betrieblichen Alltag vorbereitet, die sich in der Arbeit mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund ergeben. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und Unsicherheiten können zu Missverständnissen und Konflikten führen. Die Ausbilder*innen und Kolleg*innen sind dann vor die Herausforderungen gestellt, zu verhindern, dass die Ausbildung abgebrochen wird. In der Weiterbildung sensibilisiert das Forumtheater Ausbilder*innen und Ausbildungsbeauftragte in zwei- bis vierstündigen Veranstaltungen für diese sozialen Konflikte, fördert ihre interkulturelle Kompetenz, lässt sie ihr eigenes Verhalten im beruflichen Alltag reflektieren und macht konträre Standpunkte verstehbar. So wird die Motivation der Beteiligten gestärkt und das Betriebsklima, die Effektivität und Qualität der Zusammenarbeit verbessert.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 22.12.2022
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